Oder: Kann die Digitalisierung und der technologische Fortschritt den komplexen Problematiken der zukünftigen Arbeitswelt entgegenwirken?
Die Welt wandelt sich. Und das radikal und mit einem rasenden Tempo. Dieser Wandel ist nicht begrenzt auf moderne Industriestaaten, wie es Deutschland, USA oder Japan welche sind, sondern ist weltweit zu beobachten. Ein Beispiel: Die Mobilfunkpenetration (Anzahl der Mobilfunkanschlüsse) weltweit liegt 2021 im Durchschnitt bei 109,9 (Statista) pro 100 Einwohner. Soll heißen: Es gibt mehr Mobilfunkgeräte auf dem Planeten, als es Menschen gibt. Wer hätte das vor 50 Jahren gedacht?
Wir wissen auch, dass es nicht unbedingt gut um uns alle steht. Wenn alle Menschen so Leben würden wie wir es tun (Deutschland), bräuchte es heute knapp drei Erden. Einfach um genügend landwirtschaftliche Nutzfläche, Rohstoffe und Energie generieren zu können. Ressourcen müssen faktisch also besser gemanaged werden und wir brauchen einen Perspektivwechsel. Denn wie immer fängt es bei den Menschen und deren Denkweise an. Wie gehen wir jetzt also der multivariaten Fragestellung der “Arbeit der Zukunft” am sinnvollsten auf den Grund?
Ein Blick in die Vergangenheit
Am besten entwickeln wir ein Verständnis für den Grad der Veränderung der vor uns liegt, indem wir retrospektiv die Entwicklung der Industrie und die Auswirkungen von vergangenen industriellen Revolutionen genauer betrachten. Dann liegt es relativ schnell auf der Hand: Wir stehen vor einem extrem starken Wandel der Arbeitswelt, wie wir sie aktuell kennen. Jede Revolution hat seine Ära, welche Generationen in ihr und politische, ökonomische sowie ökologische Rahmenbedingungen verändert. Und der Wandel vor dem wir aktuell stehen, wird ein disruptiver Meilenstein sein. Das Tempo der Veränderung wird nie wieder so langsam sein wie heute!
Doch ist das wirklich so? Betrachten wir doch einfach mal ein paar exemplarische Branchen um Praxisbeispiele aufzuzeigen. Nehmen wir die Musikbranche. Die Musikbranche musste sich mit dem aufkommen von Streaming Diensten wie YouTube, Spotify, Apple Music & Co. innerhalb kürzester Zeit wandeln. Oder kaufen sie noch CD`s, Platten oder gar Kassetten?
Die Nachrichtenbranche ist größtenteils digital, Printmedien erfreuen sich nur noch weniger Beliebtheit. Warum auch, wenn jede Information in Echtzeit vom Handy abgerufen werden kann?
Jede Branche muss sich mit der Zeit reflektieren und neu erfinden. Und das im besten Fall disruptiv und im großen Stil. Henry Ford sagte dazu einmal: “Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde!” Wenn wir jetzt betrachten, wieviel Potential in der Vernetzung, Digitalisierung und Automatisierung liegt, also in allem was jetzt gerade so aufkommt, wirken die genannten Beispiele mikroskopisch. Und es wird klar, dass sich der gesamte Arbeitsmarkt drastisch wandeln kann …und auch wird.
Angst, Potter?
Es lässt mich wirklich erschaudern, wie einige Menschen eine unheimliche Dystopie aus der Zukunft machen und die vielen innovativen Entwicklungen verteufeln. Ich will damit nicht sagen, dass jegliche Automatisierung, Digitalisierung, sowie Deep-Learning Systeme grundsätzlich sinnvoll seien. Das wage ich sogar stark zu bezweifeln. Dennoch besteht ein extrem großes Potential und ich bin (positiv) gespannt, wie unsere Arbeitswelt in 30, 40 oder 50 Jahren aussehen wird. Denn eines ist sicher: Der Wandel wird so oder so kommen! Und jeder kann ihn mitgestalten!
Das bedeutet also auch, dass jeder JETZT die Möglichkeit hat unsere Zukunft nach seinen Ideen und Vorstellungen zu prägen. Heute besteht die große Chance, Systeme neu zu denken! Die Gründerzeit hat wieder begonnen. Deutschland war vor einigen (vielen) Jahren eines der innovativsten Entrepreneur-Länder der Welt. Viel zu lange, hat sich unser Markt auf den Lorbeeren der letzten Jahrzehnte ausgeruht und davon partizipiert. Die Zeit von innovativen Start-Ups, die den Markt erobern und komplett neu definieren werden ist gekommen. So wie damals die Automobilbranche einen komplett neuen Markt geschaffen hat, ist selbiges in der Zukunft ebenfalls zu erwarten. Meiner Meinung nach ist das ein Aufschwung, den wir in Deutschland benötigen!
Wie sieht jetzt also die Arbeit der Zukunft aus?
Abgesehen davon, dass zu erwarten ist, dass sich komplett neue Märkte aufmachen werden und Start-Ups aus allen Löchern schießen, gibt es prospektiv noch weitere Ausblicke:
Corona hat als Extremfall deutlich gemacht, wie flexibel unsere Arbeitswelt ist und was theoretisch möglich ist. Homeoffice ist Normalzustand, viele große Büroflächen verschwinden. Corona kann als “schöpferische Zerstörung” (vgl. Schumpeter) gesehen werden. Es ist also denkbar, dass das nur die Anfänge waren und die zukünftige Arbeitswelt Remote als Norm sehen wird. Zumindest in den Branchen, in denen dies möglich ist.
Jeder Mensch und jeder Beruf kann in einem Gewissen Umfang von automatisierten Prozessen abgelöst, bzw. verdrängt werden. Eine bekannte Oxford-Studie hat sich mit dem sogenannten Substituierbarkeitspotential von Berufen auseinandergesetzt und geht schon 2013 davon aus, dass 47 Prozent der US-amerikanischen Arbeitsplätze infolge der Digitalisierung wegfallen könnten (Quelle s. u.). Besonders betroffen sind hier Produktions-, bzw. Fertigungsberufe. Hier eine kleine Übersicht aus Deutschland von 2017.
Angenommen KI und Deep Learning Systeme übernehmen einen Großteil unserer aktuellen Tätigkeiten. Wie könnte die Arbeit dann in Zukunft aussehen? Spekulativ wäre eine 4-Tages Woche möglich - bei gleicher Bezahlung. Dies wird in Kalifornien bereits getestet und es kommen einige Probleme auf. In Zukunft wäre denkbar, dass die Probleme durch Effizienzsteigerung im Betrieb durch KI- und Automatisierungssysteme kompensiert werden. Karl-Heinz Land spricht davon, dass 20 - 25 Stunden Wochen denkbar wären. Dadurch würde nicht nur die generelle Zufriedenheit steigen, sondern es wäre auch ein starkes präventives Mittel gegen fehlende Work-Life Balance, steigende psychische Erkrankungen (Depressionen, Burnouts, Belastungsstörungen, etc.) und mehr Jobs/Arbeitszeit würden zur Verfügung stehen.
Ein aktuelles und diskutiertes Thema ist das sogenannte “Bedingungslose Grundeinkommen”. Gerade der Philosoph Richard David Precht hat dafür geworben. Auch das wäre denkbar. Aus seinen Schilderungen sei das Grundeinkommen keine Alternative zum Arbeiten, sondern “Freiheit für alle” (Buchempfehlung an dieser Stelle!) und bewirke einen Wandel der Arbeit was mehr altruistische Tätigkeiten nach sich ziehen würde. Arbeiten wäre dann nicht mehr als Arbeitszwang zu sehen um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern um sinnstiftend seiner Berufung nachzugehen. Ein schöner Gedanke, wenn das für alle Menschen möglich wäre.
Es bleibt reine Spekulation, in welche Richtung sich der Arbeitsmarkt entwickeln wird. Nur allein, weil Berufe substituierbar sind, heißt es noch lange nicht, dass sie es auch werden. Beispielsweise wird im Logistiksektor trotz der Möglichkeit des autonomen Fahrens noch lange nicht auf Berufs-Kraftwagenfahrer verzichtet. Allein die Möglichkeit macht das Potential und den exponentiellen Wachstum des Fortschritts deutlich und untermauert, wie viele Menschen, die gerade in das Berufsleben einsteigen, in 30-40 Jahren möglicherweise Berufe ausüben werden, die es jetzt noch nicht gibt - und wir uns diese womöglich auch noch nicht vorstellen können!
Wie kann ich mich am besten auf die Veränderung vorbereiten?
Ich kann verstehen, wenn meine Ausführungen Angst schnüren könnten. Das braucht es überhaupt nicht. Ich sehe mit zwei positiven Auge auf die Veränderung und bin gespannt, was die Zukunft bringen wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass Robotik viele “unangenehme” und “unbeliebte” Jobs übernehmen wird und Platz für neue - möglicherweise auch erfüllende und sinnstiftende Berufe - schaffen wird.
Fest steht: Fachliche Kompetenzen werden zukünftig obsolet werden! Wofür auch, wenn wir jederzeit alles im Handy nachschauen können. Es steht ein Shift der benötigten Skills und Kompetenzen an. Soziale, Personale und Methodische Kompetenzen werden wichtiger denn je. Denn in einer Zeit in der fachliche Kompetenzen nicht mehr verlangt sind, werden zwischenmenschliche Fähigkeiten zum Non-Plus-Ultra. Somit wird die beste Strategie gegen die kommende volatile und exponentiell wachsende Arbeitswelt gerüstet zu sein, in ihre Soft-Skills, sowie in ihre Mitarbeiter zu investieren um sich nachhaltig und langfristig gegen die Veränderung zu wappnen.
Danke, dass sie bis hier gelesen haben! Wenn sie Anregungen oder Meinungen zu dem Thema haben, lassen Sie uns gerne in den Kommentaren darüber diskutieren.
Quellen:
https://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/The_Future_of_Employment.pdf https://www.researchgate.net/figure/Abbildung-1-Substituierbarkeitspotenzial-nach-Berufssegmenten-in-Deutschland-und-Bayern_fig1_312552797 https://www.nzz.ch/technologie/wenn-donnerstags-schon-freitag-ist-amerikas-firmen-wechseln-zur-4-tage-woche-ld.1682385
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